Seminar für Orientalische Archäologie und KunstgeschichteMartin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Institut für Altertumswissenschaften
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Grabung Tell Chuera, Syrien
 

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Tell Chuera 1998-1999
Zusammenfassender Bericht über die 21. und 22. Grabungskampagne

Die 21. Ausgrabungskampagne in Tell Chuera fand zwischen dem 21. August und dem 15. Oktober 1998 statt. Teilnehmer waren Ildikó Bösze (Frankfurt), Dorothea Erbe (Halle), Christian Falb (Frankfurt), Heinrich Geerdes (Varel), Matthias Gütte (Halle), Stefan Jakob (Saarbrücken), Klaus Krasnik (Frankfurt), Jan-Waalke Meyer (Grabungsleitung, Frankfurt), Winfried Orthmann (Grabungsleitung, Halle), Angelina Poppke (Frankfurt), Alexander Pruß (Halle), Pia Rudolf (Frankfurt), Emmanuelle Vila-Meyer (Frankfurt), Rebecca Wegener (Halle), Jürgen Zech (Halle), Jens Zulauf (Frankfurt) und Agnieszka Zysek (Warschau). Es wurden ca. 80 Arbeiter aus den Dörfern der Umgebung beschäftigt. Syrischer Regierungsvertreter war Murhaf al-Halaf aus Raqqa.

Gegraben wurde in den Bereichen A (Steinbau 1), B (Steinbau 2), F (Palast) und dem neu angelegten Bereich S (Steinbau 6). Eine symbolische Schlüsselübergabe Mitte September markiert den endgültigen Übergang der Grabungsleitung von Winfried Orthmann an Jan-Waalke Meyer. Das Projekt Tell Chuera ist damit nun an der J.W. Goethe-Universität Frankfurt beheimatet.

Die 22. Kampagne zwischen dem 5. August und dem 26. September 1999 diente vorwiegend der Aufarbeitung der im Grabungshaus lagernden Keramik. Daneben wurden in drei Bereichen Grabungen in kleinerem Umfang durchgeführt, die zur Klärung bislang offengebliebener Fragen führen sollten. Es handelt sich um die Bereiche B (Steinbau 2), F (Palast) und S (Steinbau 6). Teilnehmer waren Marit Baer (Halle), Lotte Droß (Frankfurt), Dorothea Erbe (Halle), Matthias Gütte (Halle), Stefan Jakob (Saarbrücken), Daniela Jänisch (Frankfurt), Klaus Krasnik (Frankfurt), Sandra Krebs (Frankfurt), Jan-Waalke Meyer (Grabungsleitung, Frankfurt), Angelina Poppke (Frankfurt), Alexander Pruß (Halle), Sinje Stoyke (Frankfurt) und Rebecca Wegener (Halle). Die syrische Antikenverwaltung wurde wiederum durch Murhaf al-Halaf (Raqqa) vertreten.

Nachfolgend soll über die Ergebnisse beider Grabungskampagnen zusammenfassend berichtet werden.

Bereich A (Steinbau 1)

Der Steinbau 1, ein Sockel für einen überwiegend aus Lehmziegeln gebauten Tempel, wurde abschließend untersucht. Durch die Herausnahme von Steinpackungen im Inneren sollte die Konstruktion des Steinbaus und seine Nutzungsgeschichte erforscht werden.

Bereits bekannt war, dass der Steinbau aus einer massiv aus Kalksteinbrocken gesetzten äußeren Schale und einer Auffüllung im Inneren besteht. Das Innere wird durch eine Steinmauer in zwei Teile getrennt, die auch als Fundament für die Mauer zwischen Vorcella und Cella des Tempels gedient haben dürfte. Die Verfüllung beider Teile des Inneren weist deutliche Unterschiede auf. Der dem Aufgang zugewandte östliche Teil besteht aus mindestens 4 Steinlagen, die durch Erdauffüllungen und Ascheschichten voneinander getrennt sind. Der Westteil ist weniger massiv gebaut; hier dominieren Erdschichten, die oben allerdings ebenfalls mit einer massiven Steinlage abgedeckt wurden. Den Steinlagen im Osten entsprechen Stampflehm-Begehungsflächen im Westen.

Alle genannten Flächen bis auf die oberste Steinlage weisen ein deutliches Gefälle von West nach Ost auf. Sie sind daher nicht als Nutzungshorizonte, sondern als Arbeitsflächen anzusehen, die während der Bauzeit des Steinbau 1 für jeweils nur eine kurze Zeit bestanden haben. Die bereits früher freigelegten Rampen im Osten des Steinbau stehen mit diesen Arbeitshorizonten in Verbindung. Erst die darüber liegenden Treppen gehören in die Zeit der Nutzung des Steinbau 1.

Dem Fuß der auf den Steinbau 1 hinaufführenden Treppe gegenüber wurde ein offenbar freistehender kleiner Raum ausgegraben, der zur Bauschicht 7b2 gehört und damit noch älter ist als der Steinbau selbst. Der Eingang zu dem ungefähr quadratischen Raum liegt im Westen. Im Inneren führen einige breite Stufen nach oben. Der höherliegende östliche Teil des Raumes bildet daher eine Art Podest. In diesem Raum, vor allem aber unmittelbar vor seinem Eingang, fand sich eine größere Zahl von Siegelabrollungen, überwiegend auf Türverschlüssen .

Bereich B-West (Steinbau 1/2)

Der Steinbau 2 ist eine massive Toranlage, die den Zugang zu dem Kultbezirk vermittelte, in dessen Mittelpunkt der Steinbau 1 stand. Zwischen diesem Tor und dem Aufgang auf den Steinbau 1 befand sich eine größere Fläche, die nach der Errichtung des Steinbau 2 weitgehend unbebaut blieb. Dieser Vorplatz war mit Kieseln gepflastert (Schicht 3a); im Süden wurde er durch eine Terrassenmauer begrenzt.

Um für diesen Platz ein einheitliches Niveau zu erreichen, wurde das Innere der Terrasse mit Lehmerde und Asche verfüllt. Diese Verfüllung erreicht eine Mächtigkeit von bis zu 4m. In diesen Schuttschichten sind ältere Bauten begraben, darunter eine aus zwei Teilen bestehende Anlage die mit Lehmziegeln zugesetzt ist. Dieses Gebäude bislang unbekannter Funktion ist älter als der Steinbau 2 und gehört der Schicht 3b im Bereich B an. Ein darunterliegender Horizont (Schicht 4) ist mit den Gebäuden der Bauschicht 7b2 im Bereich A in Verbindung zu bringen und damit bereits älter als der Steinbau 1.

Schicht 3a endet in einer Brandschicht, die das Ende der Nutzung des Tempelhofes markiert. Die darüber liegende Schicht 2 kann aufgrund der Keramik bereits der Periode Chuera IE und damit der letzten Besiedlungsphase vor der Aufgabe der Siedlung zugewiesen werden.

Grab 98.B.01

Von Schicht 2 aus wurde in den Brandschutt der Schicht 3a eine Grube eingetieft, in der ein Steinkammergrab angelegt wurde. Die Kammer ist aus grob behauenen Kalksteinblöcken in Trockenmauerwerk aufgeführt. Das Innere war mit weicher Erde verfüllt. Das Grab wurde ungestört angetroffen.

Knochenreste fanden sich in einem der beigegebenen Gefäße sowie in der Grabverfüllung verstreut. Alle Knochenreste waren verbrannt. In dem Gefäß befanden sich Teile eines menschlichen Schädels, die restlichen Knochen gehören zu mindestens zwei menschlichen Individuen sowie einem Schaf, einer Ziege und einem Hund.

Das Grab enthielt eine reiche Waffenausstattung: Ein Keulenkopf, drei Lanzenspitzen, ein kurzer Dolch, mehrere Klingen und eine Schaftlochaxt aus Bronze fanden sich auf der Grabsohle. Auf dem Rücken der Axt ist ein liegender Löwe dargestellt.

Besonders hervorzuheben sind mehrere Teile einer überlebensgroßen Plastik. Sie stammen alle vom Kopf einer anthropomorphen Figur. Erhalten sind die Nase und Teile von Stirn und Wangen, ein Ohr (alles aus Bronze) sowie die Augen (aus verschiedenen Steinen und Perlmutt). Vermutlich waren diese Stücke auf einen Kern aus vergänglichem Material (Holz, Bitumen) montiert.

Ob eine Reihe von einseitig reliefierten Plättchen aus einem weichen, grauen Stein ebenfalls zu dieser Skulptur gehört haben, lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden.

Die Beigabe einer Rundplastik in einem Grab hat im Mesopotamien des 3. Jts. keine Parallelen; auch Brandbestattungen sind in dieser Zeit im gesamten Vorderen Orient äußerst selten. In einem zur Veröffentlichung in der Zeitschrift Orient-Express vorgesehenen Artikel verweisen Klaus Krasnik und Jan-Waalke Meyer auf die Möglichkeit, dieses Grab als die Bestattung eines Kultbildes, möglicherweise dasjenige aus dem Tempel auf dem Steinbau 1, anzusehen.

Bereich B (Steinbau 2)

Die Untersuchungen der letzten Jahre galten vor allem dem östlich und nördlich an den Steinbau 2 anschließenden Bereich. Die freigelegten Strukturen gehören zu den Bauschichten 3 und 4, wobei sich Schicht 3 (Phase Chuera ID) in zwei Phasen gliedern lässt: zu Schicht 3b gehören verschiedene aus Lehmziegeln errichtete Gebäude, die in Schicht 3a, nach der Errichtung des Steinbau 2, weiter bestehen. Schicht 4 (Chuera IC) weist deutlich abweichende Grundrisse auf. Das Grabungsgelände wies bereits in der Antike ein deutliches Gefälle von Nord nach Süd auf und ist in den einzelnen Bauphasen jeweils terrassiert.

Von Nordosten her führt in Schicht 3 eine Gasse nach unten, die Bauten deutlich unterschiedlicher Art voneinander trennt. Im Osten liegen kleinteilige Strukturen, die offenbar als Produktionsstätten genutzt wurden. Dazu gehört die bereits 1991 gegrabene eBäckerei" im Areal Hc.VI7. Westlich der Gasse liegt ein wesentlich massiver gestalteter Bau (Gebäude B.III), der parallel zur Gasse verläuft. Die Begrenzungsmauern im Osten und Westen sind mit über 1,50m Breite besonders massiv aufgeführt, sie sind mit Kalksteinen fundamentiert. Das Innere dieses ca. 8m breiten Streifens ist durch schmalere Mauern in langrechteckige Räume unterteilt, die jeweils nur von Südosten, von der Gasse her, betreten werden konnten und untereinander keine Verbindung aufwiesen. Zwei dieser Räume (Nr. 5 und 7) sind vollständig freigelegt; im Norden deutet sich eine gleichartige Fortsetzung des Gebäudes B.III an, während ein ursprünglich vorhandener weiterer Raum im Süden durch die Anlage des Steinbau 2 gekappt wurde. Auffällig ist, dass die Rückwand dieser Räume mit der westlichen Begrenzung des Steinbau 2 fluchtet. Die Vermutung liegt daher nahe, dass Gebäude B.III ursprünglich einen Durchgangsraum besaß, der den Zugang zum Vorhof des Steinbau 1 ermöglichte. Trifft diese Vermutung zu, dann hat der Steinbau 2 eine ältere, vermutlich weniger repräsentative Toranlage ersetzt. Das Gebäude macht insgesamt den Eindruck eines Zingels, der den Sakralbereich nach aussen begrenzte.

Nach der Errichtung des Steinbau 2 (Schicht 3a) wird Raum 5 nur noch als Durchgangsraum genutzt, durch den man von der Gasse aus von Norden her in den Torbau gelangen konnte. Hierzu wurden die südliche und östliche Mauer des Raumes kassiert; ein Kiespflaster markiert das neue Nutzungsniveau.

Zur Schicht 4 gehören neben dem bereits seit 1995 bekannten Gebäude B.V mit den Räumen 203 und 204 zwei durch eine Gasse oder einen Korridor getrennte Komplexe weiter nördlich. Es handelt sich um wirtschaftlich genutzte Räume, die eine Vielzahl von Ofenanlagen, sonstigen Installationen und Vorratsgefäßen aufwiesen. Ein Teil der Räume wurde nach Ende der Nutzung zugesetzt, um als Fundamentierung für Gebäude der Schicht 3 zu dienen.

Bereich S (Steinbau 6)

Bei den Radlader-Arbeiten zur Anlage des Tiefschnitts im Grabungsbereich K waren 1997 mehrere grob behauene Kalksteine in einer quer zur Schnittrichtung verlaufenden Reihe angetroffen worden. Bei einer näheren Untersuchung dieser Strukturen stellte sich schnell heraus, dass sie zu einem eigenständigen Gebäude gehören, einem Antentempel auf einem Steinsockel. Dieser Bereich wurde daraufhin vom Grabungsbereich K abgetrennt und mit dem Kennbuchstaben S bezeichnet. Das Gebäude selbst erhielt den Namen Steinbau 6.

Die Schicht 1 enthielt nur schlecht erhaltene Strukturen aus der Periode Chuera IIA, der Mitanni-Zeit. Mittelassyrische Besiedlung ist hier, wie auch im Bereich M, nicht nachzuweisen. Unmittelbar darunter folgt der Lehmverfall der Schicht 2, zu dem der Steinbau 6 selber gehört. Im Inneren des Gebäudes lassen sich drei Bauphasen unterscheiden. Schicht 2c entspricht dem beim Bau des Tempels angelegten Fußboden. Ein neuer Fußboden, ca. 50cm über dem älteren, markiert Schicht 2b. Nur in Resten erhalten sind Nutzungsniveaus einer jüngeren Bauschicht, die als 2a bezeichnet wird. Füllschichten, die von außen an den Sockel heranlaufen, werden als Schicht 3 bezeichnet, während Schicht 4 unter dem Sockel hindurchzieht, der Errichtung des Tempels also vorausgeht. Diese Schicht 4 dürfte nach Beobachtungen des Westprofils im Tiefschnitt mit einem der beiden Horizonte III oder IV im Siedlungsviertel K gleichzeitig sein.

Durch die Keramik ist eine Zuordnung dieser Schichten zur Periodengliederung des Tell Chuera möglich: Schicht 3 gehört in die Periode ID, die Schichten 2c und 2b in einen jüngeren Abschnitt dieser Periode, während 2a bereits zur Periode IE gehört. Steinbau 6 ist damit der jüngste der bisher bekannten Tempel vom Tell Chuera.

Der Steinbau 6 befand sich in einer Senke und wurde daher durch eingeschwemmte Erde so konserviert, dass er sich besser erhalten hat als jeder andere bisher untersuchte Tempel in Tell Chuera. Neben dem Sockel und dem Steinfundament des aufgehenden Ziegel-Mauerwerks sind auch diese Mauern bis zu einer Höhe von ca. 1m, mehrere Fußböden und eine Reihe von Installationen im Inneren der Cella und in der Vorcella erhalten. Daher bietet dieser relativ kleine Tempel eine gute Grundlage zur Rekonstruktion vergleichbarer Anlagen, wie etwa des Steinbau 1 oder des Außenbaus.

Der Tempel ist mit einer Abweichung von 15 Grad in Ost-West-Richtung orientiert. Er befindet sich auf einem 17,5m langen, 11,5m breiten und knapp 2m hohen Sockel, der aus grob behauenen Kalksteinblöcken aufgeführt ist, die von außen mit Lehmmörtel verschmiert waren. Ob dieser Sockel (ähnlich wie am Steinbau 1 und 3) nur außen massiv und innen mit Erde und kleineren Steinen verfüllt war, konnte nicht untersucht werden. Er scheint an seiner Oberfläche aber mit einer Lage großer Steine abzuschließen; zumindest wurden solche Steine in einem Testschnitt im Südosten des Gebäudes angetroffen.

Die Tempelmauern sind von der Außenkante des Sockels um jeweils ca. 40cm nach Innen versetzt, so dass der Tempel 16,8m lang und 10,3m breit ist. Die Cella misst 11 auf 7,8m, die Vorcella 3,3 auf 7,8m. Von Osten führt eine 4m breite Freitreppe zur Vorcella, die von einer mit Kieseln gepflasterte Fläche ausgeht. Dieser Vorplatz, dessen Dimensionen bislang nicht bekannt sind, weist mehrere Erneuerungen des Pflasters auf. Durch das erhöhte Niveau des Vorplatzes reduzierte sich die Zahl der sichtbaren Treppenstufen von ursprünglich 7 auf zuletzt 4. Das ursprüngliche Niveau des Platzes ist mit dem ältesten Fußboden im Tempelinneren gleichzusetzen und gehört also zur Schicht 2c. Naheliegend, aber weniger eindeutig ist die Korrelation des jüngsten Kiespflasters mit der Schicht 2b, da die unverändert genutzte Treppe keine eindeutige stratigraphische Verbindung erlaubt.

Die Vorcella gliedert sich in einen Mittelbereich vor dem Durchgang zur Cella und je einen nördlichen und südlichen Seitenbereich. Die Seitenbereiche waren leicht erhöht und wiesen entlang der Wände L-förmig angelegte Bänke auf. Hochgezogene Kanten trennen die Seitenbereiche von dem mittleren Durchgang. Die Fussböden wurden mehrfach erneuert, wobei allerdings keine grundsätzlichen Veränderungen erfolgten. In Schicht 2a wird im südlichen Seitenbereich eine kleine Mauer eingezogen und ein Gefäß im Boden installiert.

Bei Anlage des Tempels lag die Cella auf dem gleichen Niveau wie der Vorraum. In der Cella selbst ist die Schicht 2c nur zu einem kleinen Teil erreicht. Der großflächig freigelegte Fussboden der Schicht 2b liegt ca. 50cm höher; die Cella war nun über eine dreistufige Steintreppe zu betreten.

An der Rückwand der Cella ist, dem Eingang gegenüber, aus Lehmziegeln ein Podium von ca. 2 x 1,2m gemauert, das mit einer Art Bastion auf der Außenseite korrespondiert. Diese Installation ist als Kultpodest zu interpretieren. Daneben gab es aber noch weitere Installationen: In der Mitte der Nordmauer ist dieser eine Art Tisch vorgelagert, vor dem zwei durchbrochene Gefäßständer installiert waren. Östlich des Tisches ist der Nordwand eine Bank vorgelagert. In der Mitte der Cella befindet sich in der Flucht des Einganges eine Steinsetzung, die wie ein Fundament wirkt, aber nur eine Steinlage hoch ist und auch keinen erkennbaren Aufbau trägt. Die Funktion dieses Einbaus konnte bislang nicht geklärt werden.

Links neben dem Kultpodest trennt eine schmale Mauer einen kleinen Raum ab, in dem auf einem Fußboden der Schicht 2b insgesamt 10 zerscherbte, aber vollständig erhaltene Flaschen fanden, die einst zum Kultinventar gehört haben dürften. Bis auf einige installierte Gefäße fand sich kein weiteres Inventar; der Tempel wurde planmäßig verlassen.

Bereich F (Palast)

Die Arbeiten der letzten beiden Jahre befaßten sich überwiegend mit dem Palast der Bauschicht 2 (aus der Periode Chuera ID spät). Dabei standen folgende Fragestellungen im Mittelpunkt: Wie sind die Raumstrukturen und die Kommunikationswege im Südwesten des Palastes gestaltet? Wie sind das obere und das untere Terrassenniveau des Palastes in der Bauschicht 2a miteinander verbunden gewesen? War der lange Raum 4 von Hof 2 aus zugänglich und welche Funktion hatte er? Durch die dabei erzielten Ergebnisse stellte sich auch erneut die Frage nach der Interpretation der nordwestlichen Teile des Palastes.

Nur in kleinem Umfang wurden, bei der Anlage neuer Schnitte und beim Abbau von stehengebliebenen Arealstegen, Baureste der Schicht 1 (Periode Chuera IE) angetroffen. Im Areal Cj.VI4 handelte es sich um mehrere Räume kleiner Privathäuser aus den Schichten 1b und 1c. Im Areal Cg.VI3 wurden ein weiterer Teil einer bereits bekannten großen Arbeitsfläche aus der Schicht 1c und ein Raum mit reichem Keramikinventar aus der Schicht 1b freigelegt.

Ebenfalls zur Schicht 1b gehört die Anlage eines Rundbaus von über 3m Durchmesser, dessen massives Fundament ca. 90cm in die Schicht 2 eingetieft wurde, wobei die Palastmauern mehrerer Räume (43, 44 und 45) geschnitten wurden. Dieser Bau war ca. 1,20m hoch erhalten, außen massiv mit Ziegeln gesetzt und innen mit Stampflehm verfüllt. Bei dem erhaltenen Bereich scheint es sich lediglich um eine Substruktion zu handeln, von einer Aufgangslösung oder einem Aufbau war nichts mehr erhalten. Möglicherweise handelt es sich um das Fundament eines Wachturmes; denkbar ist aber auch, dass die Konstruktion einen erhöhten Getreidespeicher getragen hat.

Im gesamten Südwestbereich des Palastes wurden die bislang noch stehengebliebenen Arealstege entfernt. Dabei stellte sich heraus, daß die beiden ursprünglich separat interpretierten Räume 36 und 47 als Ost- und Westhälfte eines großen Raumes (nun als 47 bezeichnet) anzusehen sind. Dieser Raum wies eine Vielzahl von Installationen (Feuerstellen, Regale, Arbeitsmulden, Bänke) auf, die ihn eindeutig als Küchen- und Vorratsraum definieren lassen. Der Fußboden ist von einer großen Zahl blätterteigartig übereinanderliegender Ascheflächen bedeckt, die sich im Laufe der Nutzung des Raumes akkumuliert haben.

Weiter östlich befindet sich Raum 31, der bereits in den Jahren 1995/96 freigelegt worden war. Es stellte sich heraus, daß die Zugangsmöglichkeiten zu diesem Raum im Laufe der Zeit verändert wurden. War der Raum in Phase 2b (also zur eigentlichen Nutzungszeit des Palastes) noch von Raum 34 aus zugänglich und somit mit dem Küchentrakt südlich des Hofes 16 verbunden, so wurde diese Tür in der darauffolgenden Phase 2a zugesetzt und ein neuer Zugang zu dem Arbeitshof 44 geschaffen. Hierdurch wird die bereits früher gemachte Beobachtung bestätigt, daß der Palast bereits zur Zeit der Schicht 2a in einzelne, voneinander unabhängige Bereiche unterteilt worden war.

Der rechteckige Hof 44 ist mit mehreren Lagen von Kieseln gepflastert. In Schicht 2a wurde eine Reihe von schmalen Mauern eingezogen, mit denen kleine Räume abgetrennt wurden. Diese jüngeren Mauern wurden weitgehend entfernt. Die ursprüngliche Anlage enthielt Arbeitsplätze und Herdstellen. In der Mitte des Hofes verläuft, von Ost nach West abfallend, ein sehr großer, steingefaßter Abwasserkanal. Der Kanal diente nicht nur der Entwässerung dieses Hofes, sondern nimmt seinen Ausgang in der Südwestecke des Hofes 16, verläuft dann nach Süden, biegt in dem kleinen Vorrats- und Waschraum 45 nach Westen um und erreicht dann den Hof 44. Dort mündet von Norden ein Kanal aus dem Badezimmer 43. Der Abwasserkanal ist in der Zeit der Bauschicht 2a durch die Anlage einer Sickergrube gestört worden.

Raum 54 lieferte die bislang einzigen Hinweise auf administrative Tätigkeiten im Palast. In zwei Gruben, die in den Kiesboden des Raumes eingetieft worden waren, fanden sich mehrere Tonverschlüsse (überwiegend Türverschlüsse), von denen 6 mit jeweils demselben Siegel angebrachte Abrollungen aufwiesen (z.B. 98.F.140). Raum 54 war verschließbar, in ihm dürften zu kontrollierende Waren oder Objekte aufbewahrt worden sein.

In der Grabungskampagne des Jahres 1992 war, an die Nordtür des Raumes 11 anschließend, eine mit größeren Kalksteinen gepflasterte Rampe entdeckt worden, die nach Norden hin abfällt. Sie konnte damals ca. 2,50m weit nach Norden verfolgt werden. In Raum 11 schließt sie an einen Fußboden der Bauschicht 2a an. Es lag daher nahe, zu vermuten, daß diese Steinrampe in der Bauschicht 2a den Zugang von der unteren zur oberen Terrasse des Palastes vermittelt hat. Zu dieser Zeit war nämlich die Freitreppe im Osten des Palastes bereits blockiert, ein Aufgang war hier nicht mehr möglich. Auch war bisher nicht geklärt, welche Fußböden der nördlichen unteren Terrasse zur Bauschicht 2a gehören und auf welchem Niveau die Begehungsflächen aus der Bauzeit des Palastes (Schicht 2b) liegen.

Die Steinrampe konnte auf einer Länge von insgesamt 13,5m nach Norden verfolgt werden. In dieser Länge weist sie ein Gefälle von ca. 15% auf, überwindet also einen Höhenunterschied von ungefähr 1,90m. An diese Rampe schließt im Osten eine ebenfalls nach Norden hin abfallende Freifläche an, die als eine Art Glacis anzusehen ist. Dieses Glacis reicht von der Rampe noch ca. 11m nach Osten. Bis auf einige kleinere Mauern konnten auf dem ausgegrabenen Teil des Glacis keine weiteren Strukturen festgestellt werden. Die Rampe hat ihren Ausgangspunkt am südlichen Ende einer Tür, die Raum 50 mit der Fläche 5 verbindet. Der Eingang zu dem Gebäude muss in Schicht 2a daher im Norden gelegen haben.

Ein im Westen an die Rampe anschließender Fußboden führt über eine Tür in den Raum 41 der unteren Terrasse. Von hier aus waren weitere Räume im Nordwesten des Palastes zugänglich. Damit konnte nachgewiesen werden, daß die untere Terrasse des Palastes keineswegs, wie bisher vermutet, zur Zeit der Bauschicht 2a völlig aufgegeben war, sondern zum Teil (im Nordwesten) noch in Schicht 2a und sogar bis in die Zeit der Schicht 1c in Gebrauch war. Daraus ergibt sich, dass die 1995 freigelegten Fußböden im Nordwesten des Palastes nicht der Gründungsphase (2b) angehören, sondern der Schicht 1c zuzurechnen sind. In mehreren Räumen im Nordwesten wurde darauf hin wieder mit Grabungen begonnen. Die Fußböden der Schicht 2b liegen deutlich tiefer als früher erwartet, sie sind sehr sorgfältig gearbeitet. Die Interpretation des Traktes als Wirtschaftseinheit kann nicht länger aufrecht erhalten werden, da die hier angetroffenen Öfen und Installationen zur Nachnutzung in Schicht 1c gehören. Ursprünglich war dieser Teil des Palastes vermutlich ein durchaus repräsentativer Wohnbereich. Er war durch eine kleine Treppe mit der oberen Terrasse verbunden.

Die weiter östlich gelegenen Räume der unteren Terrasse sind hingegen durch die Anlage von Glacis und Rampe außer Funktion gesetzt und überbaut worden. Die alten Mauern sind dazu bis auf das angestrebte Bauniveau der Rampe kassiert worden. Die Ansätze der quer zum Hang verlaufenden Mauern wurden dabei nicht vollständig entfernt, sondern als Vorsprünge stehengelassen; jeweils zwei dieser Vorsprünge im Osten und Westen des Glacis korrespondieren von ihrer Ausrichtung her miteinander. Zu den überbauten Räumen gehört Raum 53, der durch sorgfältige Ausstattung und umlaufende Bänke als Empfangsraum charakterisiert ist.

Ein östlich der Rampe anstehendes Profil gibt Aufschluß über die Bau- und Verfallsgeschichte der unteren Palastterrasse. Am Ende der Schicht 2a stürzten einige der Palastmauern zusammen. Aus der Lage der teilweise im Verband verstürzten Ziegel ergibt sich, daß zunächst die Ost-West verlaufenden Mauern und danach die Nord-Süd verlaufenden Mauern verstürzt sind. Über den bis zu 1,20m mächtigen Ziegelversturz legen sich Flächen der Bauschicht 1c, in der immer noch einige Palasträume genutzt werden.

Der große Hof 3 vermittelte von dem im Osten vermuteten Haupteingang des Palastes über eine Freitreppe und den Verteilerraum 7 in den oberen Teil des Palastes. Dieser Hof ist bereits in den Jahren 1987 bis 1990 untersucht worden. Bekannt war, daß eine sorgfältig gebaute, abgetreppte Tür im Nordwesten des Hofes in den Raum 2 führt, von dem aber nur kleine Teile ausgegraben waren. Ziel der hier durchgeführten Arbeiten war die Klärung der Raumstruktur, eine mögliche Funktionsbestimmung dieses Raumes und die Frage nach Zugang und Funktion des westlich anschließenden Langraums 4.

Von Raum 2 wurde ein großer Teil freigelegt. Die Größe des Raumes (ca. 10 x 12 m) spricht für eine Deutung als Hof. Der Fußboden (in Kalkestrich verlegte Kiesel) findet innerhalb des Palastes seine Entsprechung allerdings in überdachten Räumen. Daher ist auch eine Bedeckung nicht auszuschließen. Der Raum ist völlig leergeräumt und weist im ausgegrabenen Teil auch keinerlei Installationen auf, eine Funktionsbestimmung ist deshalb nur eingeschränkt möglich. Lage und Bauweise deuten auf einen repräsentativen oder zumindest offiziellen Zweck hin.

Zwischen den Räumen 2 und 4 befindet sich nicht, wie noch 1990 vermutet, eine sehr breite LZ-Mauer, sondern der mit 80cm sehr schmale Korridor 51, der parallel zu Raum 4 verläuft. In Schicht 2b hat der Korridor nur einen Zugang im Süden, war also funktionslos (für einen Lagerraum ist er zu schmal). Da in diesem Teil des Palastes aber Mauern eines älteren Baus (Schicht 3) weiter benutzt wurden, die im Norden der Räume 4 und 51 verändert wurden, ist davon auszugehen, dass Raum 51 ursprünglich tatsächlich als Zugangskorridor zu Raum 4 diente.

Der in seiner Anlage ebenfalls noch aus Schicht 3 stammende Raum 4 ist mit bis zu 3m Höhe sehr gut erhalten. In Schicht 2b diente er offenbar als Lagerraum, später wurde er mit Lehmziegeln zugesetzt und nicht mehr benutzt.

Im Osten des Palastes ist 1998 ein offenbar ohne menschliches Zutun entstandenes Loch aufgefallen, das durch Absinken des Erdreichs an dieser Stelle entstanden und ca. 2m tief war. Da sich der Hohlraum im Sommer 1999 noch weiter vergrößert hatte und sich nach Süden zu erweitern schien, sollte durch zwei südlich angelegte Schnitte untersucht werden, ob sich an dieser Stelle ein antiker Hohlraum (etwa ein Grab) befunden hat. In beiden Grabungsflächen wurde in ungefähr 60cm Tiefe die Oberkante einer massiven Lehmziegelsetzung erreicht. Es stellte sich heraus, daß diese Ziegelsetzung ca. 1m mächtig ist. Das oberflächlich sichtbare Loch war entstanden, als ein unter dieser LZ-Terrasse befindlicher Hohlraum zu einem partiellen Einbruch der Ziegel führte; der Hohlraum hat also mit dieser Ziegelsetzung nichts zu tun. Die Oberkante der Terrasse schließt unmittelbar unter dem Fußboden des Hofes 2 ab und ist mit ganz vergleichbaren Ziegelterrassen unter den Fußböden des Hofes 3 in Verbindung zu bringen. Offenbar handelt es sich um eine Bauvorbereitungsmaßnahme vor der Errichtung des Palastes der Schicht 2b, mit der das Vorhandensein eines ebenen und belastbaren Baugrundes sichergestellt werden sollte.

Die weitere Grabung im nördlichen der beiden Schnitte erbrachte unter der LZ-Terrasse eine Abfolge von teils aschehaltigen, teils stärker lehmigen Schichten ohne architektonische Strukturen, wie Fußböden oder Mauern. Offensichtlich liegen hier Schuttschichten vor, deren nachgiebige Konsistenz die Sorge um die Stabilität des später hier errichteten Palastes durchaus verständlich macht. Diese Schuttschichten sind offenbar über eine längere Zeit an Ort und Stelle akkumuliert worden (Parallelen finden sich an vielen Stellen in der Stadt, am beeindruckendsten im zentralen Grabungsbereich K), da die keramischen Formen mit zunehmender Grabungstiefe immer älter wurden. Als die Grabung schließlich nach über 3m Tiefe eingestellt wurde, war aus der dortigen Fundstelle ein keramischen Inventar aus der frühen Periode Chuera IC erreicht. Das keramische Inventar aus diesen Schuttschichten ist durchaus reichhaltig, daneben kamen in einer Ascheschicht eine große Anzahl von tierischen Überresten, vor allem Hornzapfen von Gazellen (Mindestindividuenzahl nach E. Vila über 20) zu Tage. Diese Funde können als Überreste der Tätigkeit spezialisierter Handwerker interpretiert werden.

Bis zum Abschluss der Grabungen aus Sicherheitsgründen konnte keine eindeutige Erklärung für den Hohlraum gefunden werden, der die Untersuchungen an dieser Stelle ja erst veranlaßt hatte. Ein zum Palast der Schicht 2 gehöriges Grab ist allerdings auszuschließen, da die LZ-Terrasse einen klaren Trenner zwischen Schicht 2 und den älteren Schichten an dieser Stelle darstellt.

Die neuen Grabungen im Bereich F haben vor allem für die Baugeschichte eine Reihe von neuen Erkenntnissen gebracht. Sie stellt sich kurzgefaßt so dar:

  1. Errichtung eines offiziellen Gebäudes im Bereich der oberen Terrasse (Schicht 3).
  2. Bau einer Lehmziegel-Terrasse im östlich anschließenden Bereich.
  3. Anlage eines terrassierten Palastes über dem Gebäude der Schicht 3 bzw. nördlich und östlich davon (Schicht 2b2).
  4. Erweiterung des Palastes nach Westen (Schicht 2b1, 13).
  5. Aufgabe der unteren Terrasse im Osten und Nordosten und Anlage des Glacis; Aufgabe des Palastes als solchem und Beginn der Keramikproduktion (Schicht 2a, 14).
  6. Zusammenbruch einiger Terrassenmauern und Wiederbenutzung vieler Palasträume auf höherem Niveau (Schicht 1c).
  7. Anlage von bevorzugt kleinen Häusern über den Palastmauern und Weiterbenutzung einiger Palasträume. Höhepunkt der Keramikproduktion (Schicht 1b).
  8. Anlage kleiner Räume, unabhängig vom Mauerverlauf des Palastes (Schicht 1a).
  9. Aufgabe der Siedlung auf der Kuppe noch vor dem Ende des 3. Jts.

Zusammenstellung: A.Pruß

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update: 2000-04-17
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