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 Ein Treffen der Kulturen

Nomadische Türk und sinisierte Sogder begegnen einander in China
 
von Markus Mode

Das Grab des aus einer Bucharer Familie (?) stammenden Sogders An Jia, entdeckt nördlich der Stadt Xian, gehört zu den wichtigsten Zeugnissen für die frühmittelalterliche Präsenz von Mittelasiaten in China. Der Grabherr An Jia stammte nach einer Inschrift aus Changsong in Guzang. Unter der Nord-Zhou-Dynastie (557-581) wurde er zum Sabao - dem Anführer der Sogder - von Tongzhu (in Shaanxi) ernannt. An Jia starb im Mai 579 im Alter von 62 Jahren. Das im Grab gefundene steinerne Totenbett des Sogders ist mit farbig bemalten Reliefplatten geschmückt, auf denen Begebenheiten aus dem Leben An Jias dargestellt sind. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Umgang des Sabao mit den "nördlichen Barbaren" - worunter im zeitlichen Kontext und aufgrund des ikonographischen Erscheinungsbildes "Alttürken" (Türk; chin. Tujue) zu verstehen sind. Der Grabherr war Zeitgenosse des entstehenden 1. Qaghanats der Türk (ab 552) und der Konfrontation dieses gewaltigen Steppenreiches mit China. Bereits fünf Jahre nach dem Tode An Jias zerfiel das Türkenreich in ein östliches und ein westliches Qaghanat (584).

Eine besonders interessante Szene aus An Jias Bilderwelt findet sich auf dem rechts abgebildeten oberen Feld einer der Reliefplatten (Abb. 1 und 2):

Zwei Reiter begegnen einander in einer baumbewachsenen Landschaft. Rechts sieht man den Sabao An Jia, erkennbar an seiner Kappe. Ihm gegenüber erscheint ein Reiter mit langen schwarzen Haaren und streckt dem Sabao die Hand entgegen. An Jia begrüßt ihn seinerseits mit einem goldenen Gefäß, in dem sich Früchte (?) befinden. Ganz offensichtlich handelt es sich bei dem linken Reiter um einen Vertreter der Türk. An seiner Seite steht ein Stammesgenosse, während An Jia von zwei unberittenen Sogdern begleitet wird. Die Begegnung ist keine zufällige. Es handelt sich um ein offizielles Treffen, welches die Aufnahme von Verhandlungen einleitet. Diese Verhandlungen sind dann im unteren Teil der gleichen Reliefplatte wiedergegeben (hier nicht abgebildet).

Der offizielle Charakter der Begegnung wird besonders augenfällig durch die Begleitpersonen. Auf der Seite An Jias trägt der Mann hinter der Pferdekruppe ein Schwert, dessen Scheide mit goldenen Plättchen verziert ist. Am oberen Ende erkennt man ein goldenes Ortband. Hinter dem Mann steht ein zweiter, und dieser hält in seinen Armen einen gekrümmten Gegenstand, der unschwer als Bogenbehälter zu bestimmen ist. Man könnte beide Männer als Träger von Gaben deuten, welche An Jia seinem türkischen Partner überreichen will. Andererseits fällt auf, daß An Jia selbst keine Waffe mit sich führt, die seinem Status und der Bedeutung des Augenblickes entspäche. Aus diesem Grunde glaube ich, daß die Begleiter des Sogders die Waffen ihres Herren halten. Sollte also die Waffenlosigkeit des Sogders (wie im übrigen auch seines türkischen Gegenübers) auf den "friedlichen" Charakter der Begegnung deuten? Das kann durchaus sein, aber mir ist bei der Betrachtung der Szene sogleich der Gedanke an ein berühmtes anderes Bildwerk aufgekommen: Der Achaimenide Dareios I. läßt sich auf seinem Felsenrelief in Behistun (Bisutun) mit zwei Begleitern darstellen; einem Bogenträger und einem Lanzenträger (Abb. 3). Ein Bogen- und Streitaxtträger des Königs erscheint auch auf den beiden Empfangsreliefs vom Apadana zu Persepolis. Vom Grab des Dareios kennt man die namentlich bezeichneten Waffenträger Aspacana ( gr. Aspathines) und Gaubaruva (gr. Gobryas). Darf man diese Parallelen für einen Vergleich mit dem Reliefbild An Jias heranziehen? Markieren An Jias Waffenträger eine sogdische Sitte, die auf altes iranisches Brauchtum zurückgeht? Aber An Jia ist ja kein König. Will er etwa über die Symbolik der Waffenträger auf sein hohes - "überlegenes" - Amt aufmerksam machen? Das wäre denkbar, denn in Berichten chinesischer Gesandter zu den Alttürken scheint des öfteren der Dünkel von Kulturüberlegenheit auf (was für Gesandte allerdings auch desaströse Folgen haben konnte...).

Auch der türkische Verhandlungspartner An Jias hat einen Begleiter, welcher einen Gegenstand trägt. Aber das Relief ist hier im Detail undeutlich. So bleibt offen, ob dieser Mann eine Waffe oder einen anderen Gegenstand mit sich führt.

Wen stellt denn nun An Jias Gegenüber vor? Handelt es sich etwa um den Qaghan der Türk höchstselbst? Das ist eher unwahrscheinlich. Man weiß aus byzantinischen und chinesischen Quellen einiges über Gesandtschaften und Verhandlungen mit den Alttürken. Diese Quellen geben keinen Hinweis darauf, daß ein Qaghan zu Pferde dem Abgesandten eines anderen Herrschers entgegengeritten wäre. Ein solches Gebaren wäre für den obersten türkischen Machthaber auch deswegen nicht in Frage gekommen, weil dem Amt eine gewisse Transzendenz innewohnte. Fremde konnten nur über ein kompliziertes Empfangsritual zum Fürsten vordringen.

Der türkische Reiter, den An Jia trifft, ist sicher nur ein Abgesandter des Qaghans. Dafür spricht auch, daß der Reiter keine fürstlichen Insignien hat. Es wird sich also um einen hohen Hofbeamten, wohl einen Verwandten des türkischen Herrschers, handeln. Vielleicht hält der Begleiter des Reiters in seinen Armen ja eine Art symbolischen Ausweis, der den Botschafter als solchen legitimiert.

Schaut man sich die Gürtelgarnitur des türkischen Gesandten an, von der man am ehesten einen Hinweis auf den Rang des Besitzers erwarten könnte, so fällt auf, daß sie derjenigen des An Jia gleicht (das ist auch auf anderen Reliefplatten An Jias zu sehen). Eine erstaunliche Identität: Der Nomade und sein sogdisch-chinesisches Gegenüber lieben gleiche Accessoires. Ihre Kleidung unterscheidet sich hingegen sehr wohl (man beachte den typischen alttürkischen Kaftan mit aufgeschlagenen Kragen). Auch die Pferde sind verschieden (Mähnenschnitt), nicht hingegen das Zaumzeug. Den türkischen Sattel übernahm An Jia nicht, allerdings haben beide Reiter ein Tigerfell darauf liegen. Von An Jias Sattel hängen lange Riemen herab, und ausgerechnet die würden wir nun als Charakteristikum des Nomadenpferdes erwarten, wo sie aber fehlen - eine "Verkehrte Welt".

Damit bezeugt das hochinteressante Bild aus dem Grab des Sogders An Jia auch, wie rasch in der zweiten Hälfte des 6. Jh. einzelne Merkmale ursprünglich völlig gegensätzlicher Kulturen begannen, auf beiden Seiten Gewohnheitsgut zu werden. Und so findet man auf dem Relief neben der Opposition (Differenz) auch die integrative Kraft kulturellen Kontaktes geradezu sinnbildhaft wiedergegeben.

Abbildungen

Abb. 1: Xi'an Beizhou Anjia Mu [Anjia Tomb of Northern Zhou at Xi'an]. Hrsg.: Shaanxi Archaeological Research Bureau. Beijing, 2003 (=Shaanxisheng Kaogu Yanjiusuo Tianye Kaogu Baogao, 21), Farbabb. 54, oben

Abb. 2: Rong Xinjiang: The illustrative sequence on An Jia's screen: A depiction of the daily life of a Sabao. In: Orientations, vol. 34, 2, 2003, pp. 32-35 (fig. 1)

Abb. 3: Hinz, W.: Darius und die Perser. Eine Kulturgeschichte der Achämeniden. 2 Bde. Baden-Baden 1979 (=Holle Vergangene Kulturen), Bd. 1, Bild 35

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Sonderforschungsbereich 586 - Differenz und Integration.
Wechselwirkungen zwischen nomadischen und seßhaften Lebensformen in Zivilisationen der Alten Welt.

Eingerichtet an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Universität Leipzig.
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