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 Archäologisches aus UstrushanaUstrushana
  
Babur in Ustrushana - Sommerweiden und Obburdon-Paß mehr
  

In seinen berühmten Erinnerungen - dem Babur-nama - berichtet Zahiruddin Muhammad Babur (1483-1530), ein Nachkomme Chingiz Khans und Timurs (Tamerlan), interessante Einzelheiten über seine Aufenthalte in der einstigen Landschaft Ustrushana:

Babur war zu Beginn seiner Laufbahn, die ihn zum Beherrscher Indiens - zum Großmogul - machen sollte, ein mittelloser Fürstensohn aus Fergana, der ständig im Kampf mit fürstlichen Konkurrenten in Mittelasien lag. Es gelingt ihm, Samarkand zu besetzen, doch muß er es schon bald wieder räumen.

Im Sommer 1498 hielt sich der bedrängte Babur im Gebiet nördlich der Turkestan-Gebirgskette auf:

"In Angst und Hoffnungslosigkeit zogen wir schließlich zu den Sommerweiden, die im Süden von Uratepe liegen." (1)

Hier wird ausdrücklich festgestellt, daß sich Baburs - doch wohl eigene - Sommerweiden in den Hochtälern südlich von Ura-Tjube befanden. Das erklärt, warum er sich später, als seine Situation immer hoffnungsloser geworden war, öfter dorthin zurückzog.

Babur hatte Samarkand ein zweites Mal erobert, mußte es aber erneut aufgeben. Im Juli 1501 ritt er nach Nordosten und langte in Dzhizak an. Dort verweilte er 3-4 Tage und brach dann in Richtung Ura-Tjube auf. Etwas abseits des Weges (südlich) besuchte er noch die Festung Pashaghar. Schließlich gelangte er in das südöstlich gelegene Ura-Tjube. Dann heißt es:

"Ich  [...] errichtete meine Winterlager in einem Ort namens Dikhket, einem Dorf in der Umgebung von Uratepe." (2)

Es folgt wenig später eine Beschreibung von "Dikhket":

"Dikhket ist eines der Dörfer in der Hügellandschaft von Uratepe und liegt am Fuße eines großen Gebirges." (3)

Nach dieser Stelle sollte "Dikhket" in der mittelbaren Umgebung von Ura-Tjube gelegen haben, wahrscheinlich im Süden, wo in der Tat ein ausgesprochen hügeliges Gelände beginnt, welches die Erosionsausläufer des erwähnten "großen Gebirges" markiert, bei dem es sich um die Turkestan-Kette handeln muß. Die Lokalisierung von "Dikhket" läßt sich aufgrund späterer Aussagen präzisieren (s.u.).

Weiter heißt es:

"Sobald man dieses Gebirge überwunden hat, gelangt man ins Masîtscha [...]. Obgleich Sarten und Dorfbewohner, sind die dort Lebenden ein Hirtenvolk wie das der Türken." (4)

Gemeint ist die nordsüdliche Überquerung der Turkestan-Kette, die nach Matsha führt, wobei es sich um das Oberlaufgebiet des Zarafshan zwischen Ajni und Fedshenko-Gletscher handelt. Die Tadzhik sind die einzigen Bewohner dieses Areals, also auch der Südhänge der Turkestan-Kette - somit ist der Hinweis Baburs zutreffend.

Im nächsten Satz kommt Babur aber zurück auf "Dikhket":

"Man schätzt die Zahl der Schafe von Dikhket auf vierzigtausend. In diesem Dorf stiegen wir in den Häusern der Bauern ab. Ich für meinen Teil begab mich in das Haus des Dorfoberhauptes. Er war ein alter Mann, sechzig oder siebzig Jahre alt, besaß aber noch seine Mutter, die hundertelf Jahre alt war. Damals, als Temür Beg nach Indien vorgedrungen war, marschierte einer ihrer Verwandten in dessen Heer. Sie konnte sich noch an diese Unternehmung erinnern und erzählte mir davon. Allein in Dikhket lebten noch sechsundneunzig leibliche Nachkommen, Enkelsöhne, Enkeltöchter // und Ururenkelkinder. Zusammen mit denen, die bereits gestorben waren, würde ihre Summe leicht zweihundert betragen." (5)

Offensichtlich handelt es sich hier um Viehzüchterclans, die aber feste Siedlungen bewohnten, vielleicht ursprünglich nomadische Mongolen oder Türken. Neben dem erwähnten Ackerbau nutzten sie sicher in transhumanter Weise die Hochtäler der Turkestanketten als Sommerweiden für die vielen Schafe. Die unmittelbare Vorgebirgszone bis mindestens nach Ura-Tjube hinauf darf demnach als Winterweidegebiet für die Viehzüchter gesehen werden. In gleicher Weise wird Babur diese beiden Regionen für seinen persönlichen Tierbestand, darunter die Pferde, genutzt haben. Offensichtlich ist er der - wohlgelittene - Herr der Region und ihrer Bewohner gewesen.

Weiter sagt Babur zum Aufenthalt in "Dikhket":

"Solange ich in Dikhket blieb, hatte ich die Angewohnheit, zu Fuß die umliegenden Berge zu durchstreifen. Ich wanderte meist barfuß, wodurch meine Füße so unempfindlich wurden, daß sie die Berge nicht mehr von den Steinen unterscheiden konnten." (6)

Dies ist eine merkwürdige Stelle. Nach dem Vorhergesagten weilt Babur hier im Winter. Wie kann er zu Fuß in den Bergen herumlaufen? Oder ist die Passage als Hinweis auf häufigere Aufenthalte in der Gegend, also auch zu anderen Jahreszeiten, zu werten?

Babur hat im Winter noch einen Zug nach Norden hin unternommen, kehrte aber nach "Dikhket" zurück, denn er berichtet dann aus dem Jahre 1502:

"Der Frühling war gekommen und mit ihm die Nachricht, daß Schaybaq Khan auf Uratepe marschierte. Da Dikhket in der Ebene lag, überquerten wir hierauf den Ab-î-Bîrdan-Paß und zogen in Richtung der Berggegenden von Masîja." (7)

Zu dem Paß wird (9) fälschlich behauptet, es handle sich um den Schahristan-Paß. Tatsächlich aber ist der Obburdon-Paß gemeint (vgl. V. V. Bartol'd, Sotshinenija, I, p. 225; Baburnama, tr. W. M. Thackston [s.u.], p. 115). Das ist sehr wichtig, weil man daraus schließen darf, daß "Dikhket" südöstlich von Ura-Tjube lag. In der Tat gibt es heute eine Ortschaft namens Dakat ca. 10 km östlich von Basmanda und ca. 30 km südöstlich von Ura-Tjube. Von dieser Ortslage aus erstrecken sich Zugänge zu weiten Gebirgstälern [Argly- und Dzhokat-Su-Tal] mit Höhenlagen zwischen 2000 und 3000 m. Und in diesen Tälern müssen die von Babur erwähnten, ihm gehörenden Sommerweiden gelegen haben. Zugleich führt hier entlang der Weg zum Paß Obburdon nach Matsha.

   Babur

 
In seinen Erinnerungen berichtet Babur auch davon, daß er nach Überquerung des Passes auf einen Stein ein Gedicht ritzte (s. Abb. rechts):

"Ich habe die Kunde vernommen, einst
habe Jamschid der Schöne
Solches auf einen Stein am Rand
eines Sprungquells verfaßt:
'Viele haben [wie] wir einst die Luft
dieser Quelle geatmet.
Und wurden im Augenblick drauf
plötzlich vom Tod überrascht.
Mit Tapferkeit und mit Mut
haben die Welt wir erobert,
Aber wir haben sie nicht mitgenommen
ins Grab." (8)

Der tadzhikische Gelehrte Achror Muchtarov hat im Jahre 1953 den Inschriftenstein wiederentdeckt.

Babur überquerte den Obburdon offenbar häufiger. Erst im Sommer 1504 brach er aus Fergana nach Süden auf, zog hinab nach Afghanistan und weiter nach Indien. Babur starb 48jährig als Herrscher von Indien; seine Grabstätte aber liegt in Kabul.


Zitate nach der Übersetzung:
Die Erinnerungen des ersten Großmoguls von Indien. Das Babur-nama. Ins Deutsche übertr. u. m. e. Vorwort versehen v. W. Stammler. M. e. historischen Einführung v. S. Azimdzhanova, A. Habibi u. M. Hasan (2. Aufl.) [= Manesse Bibliothek der Weltgeschichte] - Zürich 1990
(zitierte Stellen: 1=p.202; 2=p.273; 3+4=p.274; 5=pp.274-275; 6=p.275; 7+8=p.278; 9=p. 930, Anm. 187)

Englische Übersetzung:
The Baburnama. Memoirs of Babur, prince and emperor. Translated, edited, and annotated by W. M. Thackston. Introduction by S. Rushdie. (Orig.ausg. Washington 1996). New York 2002

Zur Babur-Inschrift:
Drevnosti Tadzhikistana. Otv. redaktor: E. V. Zejmal'. Dushanbe 1985, no. 832

Babur und die Mogulzeit:
Gascoigne, B.: Die Großmoguln. Glanz und Größe mohammedanischer Fürsten in Indien. (Orig.ausg. The Great Moghuls, London 1972). München 1973; Schimmel, A.: Im Reich der Großmoguln. Geschichte, Kunst, Kultur. München 2000; Brandenburg, D.: Der Taj Mahal in Agra. Eine Studie zur Baukunst des Islam in Indien. Berlin 1966; Prawdin, M.: Das Reich aus dem Nichts. Die ersten Großmogulen. (Orig.ausg. The builders of the Mogul empire, London 1963). Stuttgart 1965
 

   Inschriften-Stein Baburs
Bilder nach Prawdin, M.: Das Reich aus dem Nichts. Die ersten Großmogulen. Stuttgart 1965; Kalender des Nat. Mus. in Dushanbe, 2003   mehr

Sonderforschungsbereich 586 - Differenz und Integration.
Wechselwirkungen zwischen nomadischen und seßhaften Lebensformen in Zivilisationen der Alten Welt.

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